15.10.2025 Leipziger Messe

OTWorld 2026: 50 Jahre gemeinsamer Fortschritt für Patienten weltweit

Vom 19. bis 22. Mai 2026 feiert die OTWorld in Leipzig ihr 50-jähriges Bestehen – als weltweiter Treffpunkt der Technischen Orthopädie. Weltkongress und Weltleitmesse vereinen seit einem halben Jahrhundert Wissenstransfer, Innovation und interdisziplinäre Hilfsmittelversorgung etwa mit Bandagen, Kompressionsstrümpfen, Orthesen, Prothesen oder Rollstühlen. Zum Jubiläum prägen die Kongresspräsidenten Dr. Doris Maier und Thomas Münch mit Fachwissen und jahrzehntelanger Erfahrung die inhaltliche Ausrichtung des Kongresses. Im Interview geben sie Einblicke in ihre Schwerpunkte – und senden eine klare Botschaft: Eine erfolgreiche Patientenversorgung gelingt nur gemeinsam.

Thomas Münch, erinnern Sie sich an Ihre erste OTWorld?

Thomas Münch: Wie könnte ich das vergessen. 1976 war ich zwar noch Schüler, aber dank meines Vaters besuchte ich bereits die O&R International – wie die Veranstaltung damals hieß – in Düsseldorf. Es war mein erster Kongress, viel kleiner als heute – mit begleitender Ausstellung, bei der wir Besucher teils selbst Hand anlegten. Gemeinsam mit einigen jungen Kollegen half ich sogar beim Standaufbau von Ottobock. Und nun, 50 Jahre später, gestalte ich die OTWorld 2026 als Kongresspräsident mit – ein ganz persönlicher Höhepunkt in meinem Leben.

Dr. Doris Maier, was hat Sie bei Ihrer OTWorld-Premiere besonders beeindruckt?

Dr. Doris Maier: Ich erinnere mich noch sehr genau: 1997 war ich zum ersten Mal dabei. Diese Fülle an Hilfsmitteln und Ideen an einem Ort hat mich überwältigt. Man konnte überall ins Gespräch kommen und alles ausprobieren. Dieses offene, neugierige Miteinander ist für mich bis heute ein Markenzeichen der OTWorld. Nie hätte ich mir träumen lassen, eines Tages einer der beiden Kongresspräsidenten, noch dazu im Jubiläumsjahr, sein zu dürfen! Eine große Ehre!

Persönliche Erfahrungen als Wegweiser für Leipzig

Herr Münch, auf welche Ihrer persönlichen Erfahrungen greifen Sie als Kongresspräsident zurück?

Thomas Münch: Als Unternehmer und Orthopädietechnik-Meister weiß ich, dass Pläne oft anders verlaufen als gedacht. Entscheidend ist, nicht den Mut zu verlieren, konsequent weiterzugehen und alles zu geben – dann findet sich ein Weg zum Ziel. Diese Haltung nehme ich in meine Aufgabe als Kongresspräsident mit.

Dr. Doris Maier, inwiefern beeinflussen Erfahrungen aus Ihrem Klinikalltag Ihre Arbeit als Kongresspräsidentin?

Dr. Doris Maier: In meinem Alltag an der BG Unfallklinik geht es immer darum, eine Patientenversorgung auf höchstem Niveau zu gewährleisten – diagnostisch, therapeutisch und wissenschaftlich. Das gelingt nur, wenn wir alle an der Behandlung Beteiligten wirklich erreichen: Patienten wie Mitarbeiter, das gesamte Team. Eine optimale Versorgung entsteht nicht im Alleingang, sondern nur, wenn Ärzte, Therapeuten, Orthopädietechniker, Reha-Experten und Kostenträger eng zusammenwirken. Diese Botschaft möchte ich mit aller Deutlichkeit auf dem Weltkongress senden. In Leipzig kommen alle Akteure zusammen – aber noch nicht alle ziehen wirklich an einem Strang.

Dr. Doris Maier, welchen Aspekt aus Ihrer Arbeit möchten Sie in Leipzig besonders sichtbar machen?

Dr. Doris Maier: Gerade aus meiner langjährigen Arbeit in der Leitung des Zentrums für Rückenmarkverletzte weiß ich: Die konservative Orthopädie ist unverzichtbar. Sie prägt die Qualität der Hilfsmittelversorgung ganz entscheidend. Doch in der reformierten Weiterbildung der Fachärzte in Orthopädie und Unfallchirurgie ist sie ein wenig in den Hintergrund geraten. Das dürfen wir nicht hinnehmen. Die OTWorld bietet uns die Chance, diesen Bereich wieder stärker ins Bewusstsein zu rücken und gemeinsam ein Zeichen für die Bedeutung der konservativen Orthopädie zu setzen.

Ausbildung als Fundament für die Zukunft

Thomas Münch, Sie haben das Thema Ausbildung als Schwerpunkt auf die Agenda des Weltkongresses gesetzt. Warum ist es gerade jetzt so entscheidend für die Zukunft der Orthopädie-Technik?

Thomas Münch: Ausbildung war immer ein Thema, da sich der Beruf des Orthopädietechnikers stetig verändert hat. In meiner Ausbildung haben wir beispielweise für die Erstellung von Prothesenschäften die Stümpfe noch ausschließlich mit Gips abgeformt, heute wird dafür zunehmend gescannt. Früher wurden Gelenke mit dem Inbusschlüssel eingestellt, heute oft per Software. Doch so rasant wie jetzt habe ich die Entwicklung in meiner ganzen Berufspraxis noch nie erlebt. Darauf müssen wir in der Ausbildung Antworten geben – und dem Nachwuchs ein starkes Fundament für die Zukunft, gerade im Bereich der Digitalisierung, mitgeben.

Thomas Münch, mit welchen Impulsen wollen Sie die Aus- und Fortbildung stärken?

Thomas Münch: Gute Ausbildung ist wie ein Hausbau. Sie beginnt mit dem Bau des Fundaments – dem Handwerk. Denn die handwerklichen Kompetenzen sind das A und O für die Fertigung und Anpassung individueller Hilfsmittel. Die Digitalisierung ist – um im Bild zu bleiben – das Erdgeschoss. Im ersten Stock liegen die weiteren Ausbildungswege nach dem Gesellenbrief: der Meisterbrief oder ein Bachelor bis Master. Auf der OTWorld geht es deshalb um die Frage, wie wir handwerkliche und akademische Ausbildungen heute und morgen gestalten wollen: praxisnah, digital und interdisziplinär. Außerhalb der OTWorld treibt etwa die Innung für Orthopädie-Technik für den Regierungsbezirk Düsseldorf mit der geplanten Exzellenzausbildung ein Modell voran, das Betriebe fordert, aber hervorragend qualifizierte Orthopädietechniker hervorbringen wird. Diese Exzellenzausbildung werden wir im Rahmen eines eigenen Symposiums auf der OTWorld vorstellen.

Thomas Münch, die OTWorld gilt als Treffpunkt des Nachwuchses. Mit welchen Angeboten sprechen Sie junge Kollegen gezielt an?

Thomas Münch: Für den Nachwuchs ist die OTWorld der Ort, an dem sie mehr sehen und erleben können als in jeder Werkstatt. Auf der internationalen Fachmesse entdecken sie, was weltweit geboten wird. Im Weltkongress diskutieren Experten, wie sich national und international handwerkliche und akademische Ausbildung heute gestalten lässt, welche Verbesserungen möglich oder gar notwendig sind. Im Workshop zur interdisziplinären Zusammenarbeit erleben die jungen Kollegen zudem praxisnah, wie Techniker, Ärzte und Therapeuten gemeinsam an einer Versorgung arbeiten. So entsteht Wissen, das direkt nutzbar ist – und genau das brauchen wir, um die nächste Generation stark zu machen.

Schwerpunkt integrative Versorgung

Dr. Doris Maier, worum handelt es sich bei Ihrem Schwerpunkt der integrativen Versorgung?

Dr. Doris Maier: Ich stelle mir die Versorgung wie ein kleines Universum vor: Klinik, Reha-Einrichtungen, Orthopädietechnik, Therapeuten und Kostenträger – jeder Bereich ist wie ein eigener Planet, der um den Patienten kreist. Integrative Versorgung bedeutet, dass diese Planeten sich als ein System begreifen und zusammenarbeiten, damit der Patient nicht an Schnittstellen oder Wartezeiten hängenbleibt. Im Mittelpunkt stehen immer der Patient und sein Behandlungsergebnis. Nur wenn alles abgestimmt ist, profitieren Patienten, Fachkräfte und das gesamte Gesundheitssystem.

Dr. Doris Maier, warum haben Sie die integrative Zusammenarbeit ins Zentrum des Programms gerückt?

Dr. Doris Maier: Gerade in der Behandlung von Rückenmarkverletzten in unserer BG Unfallklinik zeigt sich: „Comprehensive Care – alles aus einer Hand“ ist ein Erfolgsrezept. Leider erlebe ich oft, dass Patienten an Sektorengrenzen oder Schnittstellen verloren gehen oder nicht optimal versorgt werden. Das ist für die Betroffenen eine enorme Belastung. Deshalb möchte ich mit der OTWorld das Bewusstsein für integrative Versorgung schärfen und Netzwerke fördern.

Nahtlose Zusammenarbeit für optimale Patientenversorgung

Dr. Doris Maier, Ihr zweiter Schwerpunkt ist die Rehabilitation. Weshalb braucht es dieses Thema gerade jetzt so prominent im Weltkongress?

Dr. Doris Maier: Die Rehabilitation ist eine der Grundsäulen, die neben bestmöglicher, leitlinien-konformer unfallchirurgisch-orthopädischer Diagnostik und Behandlung das Ergebnis für den Patienten entscheidet. Eine gute Rehabilitation braucht ebenso das interdisziplinäre Team und zeitgerechte, patientenzentrierte Behandlungspfade. Vielfach spielt dabei orthopädietechnische Versorgung eine nicht unerhebliche Rolle. In Zeiten wie diesen, in denen häufig die Optimierung der Wirtschaftlichkeit der medizinischen Versorgung im Vordergrund steht, ist es mir ein großes Anliegen, dass man die Notwendigkeit einer zielgerichteten Rehabilitation als Teil einer integrierten Versorgung im Auge behält.

Frau Dr. Maier, welche Rolle spielt die Digitalisierung?

Dr. Doris Maier: Die Digitalisierung eröffnet uns auch in der Rehabilitation viele neue Chancen. Moderne Systeme können Fachkräfte entlasten, weil sie Dokumentation und Informationsaustausch erleichtern. Das schafft Freiräume, die wir dringend für die direkte Arbeit mit den Patienten brauchen. Die in der jüngsten Zeit doch zahlreich auf den Markt kommenden Therapie-Apps oder virtuelle Therapien ermöglichen unseren Patienten ortsunabhängigen Zugang zu rehabilitativen Maßnahmen. So entsteht eine größere Flexibilität, gerade wenn Rehaplätze nicht sofort verfügbar sind. Aber eines ist mir wichtig zu betonen: Digitale Angebote sind nur dann wirklich hilfreich, wenn sie individuell angepasst und von Fachkräften begleitet werden. Die Technik kann uns unterstützen – doch die persönliche Betreuung und die Erfahrung unserer Teams bleiben das Herzstück einer erfolgreichen Rehabilitation.

Orthopädie-Technik zwischen Tradition und Zukunft

Thomas Münch, welche Verantwortung haben Orthopädietechniker und andere Fachdisziplinen für die Patienten – und wie wird das auf der OTWorld sichtbar?

Thomas Münch: Am Ende geht es immer um die Menschen, die unsere Hilfe brauchen – verletzte, erkrankte, oft schwer beeinträchtigte Patienten. Sie zählen darauf, dass wir gemeinsam die bestmögliche Versorgung mit Hilfsmitteln schaffen und ihnen zu maximaler Lebensqualität verhelfen. Dafür müssen Ärzte, Techniker und Therapeuten auf Augenhöhe eine Sprache sprechen und ihre Kompetenzen eng verzahnen. Auf der OTWorld wollen wir genau diesen Austausch fördern – weil wir es uns nicht leisten dürfen, die Erwartungen der Patienten zu enttäuschen. Ich sehe uns alle in der Verantwortung, zu liefern.

Thomas Münch, welche Highlights aus Prothetik, Orthetik und Orthopädieschuhtechnik möchten Sie als Orthopädietechnik-Meister den Teilnehmern ans Herz legen?

Thomas Münch: Den Teilnehmern empfehle ich, sich besonders die neuesten Entwicklungen bei den Gelenken in Prothetik und Orthetik für Versorgungskonzepte anzusehen. In der Orthopädie-Schuhtechnik lohnt der Blick auf die Materialien und die Vielfalt der Möglichkeiten. Spannend sind ebenfalls die digitalen Innovationen seit der OTWorld 2024 – insbesondere im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI). Bei aller Digitalisierung bleibt das Wichtigste die „NI – die natürliche Intelligenz“. Sie versorgt die Patienten, alles andere unterstützt nur dabei.

Gemeinsam Verantwortung für die Zukunft übernehmen

Dr. Doris Maier und Thomas Münch, welche Botschaft soll der Weltkongress in seinem Jubiläumsjahr in die Welt senden?

Thomas Münch: Für mich lautet die Botschaft: Nur wenn Medizin, Technik und Therapie von- und miteinander lernen, entsteht Fortschritt – und Fortschritt ist die Basis für eine noch bessere Hilfsmittelversorgung der Patienten vor Ort und in der Welt. Dieses interdisziplinäre Zusammenspiel ist das Herz des Weltkongresses. Dafür sorgt das hochkarätig besetzte Programm- und Workshopkomitee, das das Kongressprogramm gemeinsam mit Frau Dr. Doris Maier und mir ausgestaltet. Genau dieses Miteinander leben wir in unserem orthopädietechnischen Betrieb nun schon in dritter Generation, eng verbunden mit der BG Unfallklinik in Duisburg-Buchholz. Deshalb mein Appell an alle Teilnehmer: Bringen Sie Ihr Wissen, Ihre Erfahrungen, Ihre Fragen ein und Ihre Mitarbeiter mit – nur gemeinsam schaffen wir Fortschritt für die Patienten.

Dr. Doris Maier: Da kann ich mich Thomas Münch nur anschließen. Natürlich sind die technischen Innovationen, die wir heute in der Medizin und in der Orthopädie-Technik sehen, eine große Bereicherung. Aber was auch nach 50 Jahren unverändert den Unterschied macht, ist etwas anderes: die hochqualifizierte Aus- und Weiterbildung aller Fachdisziplinen, der offene Austausch zwischen den Disziplinen und das gemeinsame Ringen um die beste Lösung. Die patientenzentrierte Behandlung im interprofessionellen Team ist der grundlegende therapeutische Erfolgsgarant. Das bestätigt mir meine Arbeit an der BG Unfallklinik in Murnau jeden Tag.


Weitere Informationen unter www.ot-world.com.

Die Kongresspräsidenten der OTWorld 2026, Dr. Doris Maier und Thomas Münch, vereinen medizinische und handwerkliche Expertise. Gemeinsam prägen sie das Programm des Weltkongresses – mit dem Anspruch, die Versorgung von Patienten weltweit weiterzuentwickeln.
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